Der Blog zur
Ausstellung im
Jüdischen Museum
Hohenems
www.jm-hohenems.at

Do 24. Mai 2012

Das Jüdische Museum Wien zeigt Kunstwerke eines jüdischen Sammlers und behauptet, dass jüdische Sammler schon immer die neuesten Kunstströmungen gefördert haben. Warum sind Juden und jüdische Museen darin besser als Nichtjuden und nichtjüdische Museen?

Mäzenas

  • Ich weiß nicht, ob sie darin besser sind. Und ich bin nicht sicher, ob es in der Ausstellung in Wien wirklich darum geht.
    Ein 42 jähriger Hedgefonds Banker investiert seit 5 Jahren sein Geld in Kunst, hat dafür ein Computerprogramm (zum “Auswerfen” der Künstler mit Wertsteigerungspotential) entwickelt und einen “Kunsthistoriker” engagiert, weil er selbst (nach eigenem Bekunden) keine Ahnung von Kunst hat.
    Er sammelt (nach eigenem Bekunden) nicht, was ihm gefällt, sondern, was an Wert gewinnt, wie Aktien. Emotionen überlässt er, sagt er, seiner Frau…

    Die Zeitung “Standard”, die offenbar versucht, sich als Boulevardmedium zu positionieren, gibt diesen offenherzigen Bekenntnissen eine ganze Seite Raum, aber seltsamerweise nicht in kritischer Absicht, sondern ganz begeistert von der Aussicht aus dem Büro des Sammlers im “Galaxy Tower”.
    Das Jüdische Museum Wien stellt jetzt diese Sammlung aus, kuratiert von dem Einkäufer des Sammlers (also wohl eher nicht mit kritischer Distanz) und sorgt mit öffentlichem Geld dafür, dass der Wert der privaten Sammlung noch a bissel steigt. Ein echtes public-private-partnership Projekt also.

    Begründung des Museums: da sieht man, wie tabubrechend und innovativ jüdische Sammler sind (im Gegensatz zu anderen).
    Inhalt der Ausstellung: irgendwelche Kunst von irgendwelchen zeitgenössischen – meist nichtjüdischen – Künstlern, die irgendwelche Tabus brechen und irgendwelche Grenzen zwischen Ländern, Kulturen, Generationen, oder sonstwas überschreiten. (Das machen international bekannte Künstler aber meistens…)
    Werbetrick: zu der Sammlung gehören auch Fotos des britischen Fotografen Leigh Ledare, der die Muschi seiner Mutter Tina Peterson fotografiert. Diese Bilder werden mit einem Vorhang abgehängt, hinter den nur Menschen ab 18 schauen dürfen. Wahrscheinlich kommt jetzt bald ganz Wien angerannt, um die Inzest-Fotos von Leigh Ledare anzuschauen. Ein großer Erfolg!
    Frage: Bringt uns das dem Verständnis und der Diskussion jüdischer Geschichte, Kultur, Tradition, Politik, Religion irgendwie näher?
    Antwort: Klar! Juden sind geschäftstüchtig und schlau, machen mit jedem Skandal und öffentlichem Geld Profit, beuten die Gefühle unschuldiger Nicht-Juden aus, denken kalt und emotionslos nur ans Geld, sind Banausen wenn es wirklich um echte Werte geht, sind zynische Ausbeuter von allem und jedem.
    Nun, das sind “nichtjüdische” Sammler, Boulevardmedien, Politiker und Börsenhändler (und viele andere Leute) wie wir wissen häufig auch. Aber im Jüdischen Museum Wien erfahren wir nun, dass die Antisemiten doch “eigentlich Recht” haben. Das ist mal wenigstens originell.

    Hanno Loewy, Freitag, 25. Mai 2012

Mi 23. Mai 2012

Warum tragen orthodoxe Jüdinnen eine Perücke?

Duygu

  • Zunächst einmal verdecken verheiratete orthodoxe Jüdinnen ihre Haare auf ganz unterschiedliche Weise, je nach Brauch und Tradition. Das kann ein Kopftuch oder eine Mütze sein. Oder eben eine Perücke, unter der man sein Haar entweder kurz trägt oder ganz abrasiert.
    Die Bibel kennt dazu keine Vorschriften. Die Idee, dass die weibliche Haarpracht unkeusche Gedanken und Gefühle wecken könnte und Männer zur Übertretung des 10. Gebotes (Du sollst nicht begehren Deines nächsten Weib) verführen würde, wird erst im Talmud diskutiert. Die verschiedenen Bräuche, die Haare zu verbergen, entstehen erst später und sind weder einheitlich noch verbindlich, auch wenn orthodoxe Rabbiner das manchmal gerne so darstellen.

    “Frag den Rabbi” antwortet darauf so:
    http://www.hagalil.com/judentum/rabbi/fh-0802-6.htm

    Und ein schönes statement einer jüdischen Frau zu diesem Thema findet sich auf “Annas Blog” im Internet:
    http://mittendrin.wordpress.com/2008/04/06/die-kopfbedeckung-bei-judischen-frauen/

    Hanno Loewy, Freitag, 25. Mai 2012

Di 22. Mai 2012

Ist ein Wein oder eine Speise dann noch koscher, wenn sie von einer nichtjüdischen Person ausgeschenkt wird?

Maria Anna

  • Da kommt darauf an, wie streng sich jemand an die Kaschrut hält.

    Für den Wein gilt folgendes:
    Vor allem zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Wein als koscher gilt: Er darf nicht von einem Nichtjuden berührt werden oder worden sein und darf ausschliesslich koschere Zutaten enthalten.
    Die traditionellen jüdischen Gesetze besagen, dass koscherer Wein unrein werden kann, wenn er von einem Nichtjuden berührt oder ausgeschenkt wird. Manche koscheren Weine werden daher vor dem Abfüllen gekocht (mewuschal). Dann bleibt der Wein im religiösen Sinn rein, egal wer mit ihm in Berührung kommt.

    Zu den Speisen:
    Koschere Speisen können auch von Nichtjuden produziert werden, wenn dabei die Kaschrut, die Speisegesetze, eingehalten werden. Dazu mehr z.B. auf Wikipedia:http://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Speisegesetze oder auf der Website der Sonderausstellung “Koscher&Co. Eine Ausstellung über Essen und Religion. http://www.jmberlin.de/koscher/ausstellung.html

    Melissa Dettling, Mittwoch, 23. Mai 2012

  • Warum wird ein Wein unkoscher, wenn er von einem Nichtjuden ausgeschenkt wird? Dazu noch eine ergänzende Betrachtung.

    Dafür gibt es nämlich eine durchaus ernsthafte und verständliche, wenn auch irritierende Erklärung.
    Nichtjuden meint natürlich historisch vor allem: Christen. Und Wein hat ja sowohl im Judentum wie auch im Christentum eine rituelle, kultische Bedeutung.
    Im Christentum (jedenfalls im Katholizismus) hat es mit dem Wein nun aber eine Bewandtnis, die Juden ein Graus ist. Er wird als Blut Christi betrachtet – jedenfalls wenn das entsprechende Ritual mit ihm vollzogen wird. Und diese Vorstellung ist in jeder Hinsicht ein Bruch aller jüdischen Traditionen und Regeln. Dazu kommt aber noch eines: Juden haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Christen sie der Zwangstaufe zuführen wollen, bzw. ihren christlichen Ritualen unterwerfen.

    Das gemeinsame Weintrinken ist da natürlich besonders heikel. Also hat man eine talmudische Lösung gefunden. Der koschere Wein wird kurz erhitzt (mevushal = gekocht) und damit symbolisch in etwas anderes als Wein verwandelt. Dann kann auch kein Christ mehr heimlich das Ritual an ihm vollziehen und Juden gegen ihren Willen das Blut Christi einflößen, und sei es, sie an einem symbolischen Akt zu beteiligen, der so etwas meint.

    Religionen sind schon etwas ganz seltsames, wenn man sie ZU ernst nimmt. Aber über die Jahrhunderte haben Juden, als der Willkür unterworfene Minderheit, dabei meistens die schlechteren Karten gezogen und haben verständliche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um nicht überwältigt zu werden.

    Hanno Loewy, Mittwoch, 23. Mai 2012

Do 17. Mai 2012

Israel als Auffanglager der Juden aus aller Welt. Was ist mit Palästina? Wo ist das Heimatrecht?

S. Comploj

  • Die Idee, einen jüdischen Staat als “sicheren Hafen” für die Juden in der Welt zu gründen hat einen nicht sehr originellen Grund. Juden waren immer wieder in den verschiedensten Teilen der Welt Verfolgungen ausgesetzt. Die Vorstellung, dass nationalstaatliche Souveränität ein Weg sein könnte, aus dieser Falle herauszukommen, liegt ziemlich nahe. Vor hundert Jahren hat man noch darüber diskutiert, wo auf diesem Globus man dieses Ziel erreichen könnte. Es hat sich herausgestellt, dass dies nur im Nahen Osten möglich war, nachdem das Osmanische Reich zusammenbrach und die Karten in diesem Teil der Welt neu gemischt wurden. Aber ob die heutige Realität der Hoffnung von einst Recht gibt, ist inzwischen ebenso strittig. Immer mehr Israelis suchen sich inzwischen einen zweiten “sicheren Hafen”, irgendwo in Europa oder in Amerika. Es setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass man schon mehr als einen “sicheren Hafen” braucht, um vielleicht halbwegs sicher zu sein. Oder das es möglich sein muss, dass Menschen ein Heimatrecht endlich überall dort genießen können, wo sie dies wollen.
    Ob man das Land zwischen Jordan und Mittelmeer nun “Palästina” oder “Israel” (oder beides) nennt, ändert nichts daran, dass jede religiöse oder ethnische Beschränkung einer nationalen Identität auf einem Gewaltverhältnis gegenüber den davon ausgeschlossenen Minderheiten und Einwanderern beruht.
    Solche Gewalt kann sich auf verschiedene Weise äußern, mit Bomben und Gewehrkugeln, aber auch strukturell durch entwürdigende Ressentiments oder willkürlicher Beschneidung von Rechten. Das ist in Israel so, aber auch in den palästinensischen Gebieten und in den Nachbarländern Israels.
    Das ist aber auch in Vorarlberg so, wo Muslime (im Gegensatz zu Israel) nicht einmal in Moscheen beten dürfen, die man von außen erkennen würde. Hochmut gegenüber den Ländern des Nahen Ostens ist fehl am Platz.

    Hanno Loewy, Dienstag, 22. Mai 2012

Do 17. Mai 2012

Ist es nicht ein Separieren sich Loslösen von den Wurzeln meiner Heimat?

S. Comploj

  • Die nach Israel ausgewanderten und geflohenen Juden, gleich ob aus Europa, aus Nordafrika oder aus dem Irak und Iran, sie alle pflegen mehr oder minder ihre Erinnerungen an ihre Heimatländer. Als kulturelles Erbe, dass sie auch in Israel in die Vielfalt der kulturellen Ausdrücke einbringen, als ungestillte Sehnsucht nach alter Heimat, manchmal auch durch das radikale Ausreißen solcher Wurzeln – durch neue nationale Begeisterung oder durch religiöses Eifern. Das teilen sie mit vielen anderen Migranten aus und in den verschiedensten Teilen der Welt. Für den Einzelnen ist das manchmal sehr schmerzhaft, und manchmal lässt es sich betäuben. Aber auch das haben sie mit den italienischen Einwanderern gemein, die vor 100 Jahren hierher kamen, und mit den türkischen Einwanderern, die vor 40 Jahren kamen.

    Hanno Loewy, Dienstag, 22. Mai 2012

Do 17. Mai 2012

Kann Israel die ganzen jüdischen “Weltwurzeln” ersetzen?

S. Comploj

  • Wahrscheinlich nicht.

    Hanno Loewy, Dienstag, 22. Mai 2012

Mi 16. Mai 2012

Was ist ein “typischer” Jude?

Ursula D.

  • Diese Frage ist nicht zu beantworten. Dazu müsste es einen “typischen Juden” geben.

    Hanno Loewy, Dienstag, 22. Mai 2012

Mi 16. Mai 2012

Ist es Hochmut, sich als auserwähltes Volk zu fühlen oder berechtigt?

Ursula D.

  • In Deutschland war einmal viel von “Auserwähltheit” die Rede: “Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen”.
    Das hat zu Krieg und Vernichtung geführt und ging insofern nicht gut aus – weder für die Welt, noch für Deutschland.

    Polen bezeichnet sich selbst manchmal als “Christus unter den Völkern”. das klingt auch nach einem gewissen Hochmut im Leiden. Aber manchmal litt darunter auch die jüdische Minderheit in Polen.

    In den USA sind viele davon überzeugt, die Vereinigten Staaten von Amerika seien das neue gelobte Land. Die christlichen Pilgerväter suchten dort nach dem neuen Jerusalem.

    Die Franzosen sind davon überzeugt, dass mit der französischen Revolution eine gänzlich neue Zeit angebrochen ist. Viele Russen haben das auch einmal geglaubt und statt 1789 1917 als Schwelle zum Beginn des letzten Zeitalters gesehen.

    Die alten Ägypter waren davon überzeugt, dass die Sonne vor allem für sie und ihre Götter scheint.

    Viele Juden haben geglaubt, dass mit ihrem Bekenntnis zum Eingottglauben, eine andere Form der Auserwähltheit begänne, die des Gesetzesglaubens und der besonderen Treue des Bundes zu Gott. Inzwischen haben die meisten Juden realisiert, dass diese Auserwähltheit für sie selbst nur Probleme mit sich gebracht hat. Insofern hat da eine gewisse Ernüchterung eingesetzt.

    Siehe auch die Antwort auf die Frage: “Warum hat “Gott” sich unter allen Völkern dem jüdischen Volk besonders zugewendet?” vom 11. April 2012

    Hanno Loewy, Dienstag, 22. Mai 2012

Mi 16. Mai 2012

Welche spezielle jüdische Eigenschaft mögen Sie / mögen Sie nicht?

Ursula D.

  • Ich fürchte auch die Beantwortung dieser Frage muss scheitern. “Speziell” jüdische Eigenschaften existieren allenfalls in der Fantasie. Manchmal sogar in der Fantasie von Juden. Das gilt wahrscheinlich sogar für das alte jüdische Sprichwort: “Juden sind wie alle anderen Menschen. Nur manchmal ein bisschen mehr so.”

    Hanno Loewy, Dienstag, 22. Mai 2012

Mo 14. Mai 2012

Muss ein Rabbiner verheiratet sein?

Fragesteller unbekannt