Der Blog zur Ausstellung im Jüdischen Museum Hohenems www.jm-hohenems.at
Mi 2. Mai 2012
Warum ist man gleich Antisemit, wenn man Israel kritisiert?
Liane Vonnahme
Ist man das? Behauptet das ernsthaft jemand?
Ist es wirklich so schwer, Kritik an israelischer Politik von Kritik an “Israel” zu unterscheiden? Oder auch eine vielleicht etwas pauschal formulierte aber durchaus legitime Kritik an Israel von antisemitischem Ressentiment.
Zumeist genügt es einen einfachen Test zu machen. Lässt sich das Wort “Israel” allzu leicht durch das Wort “Juden” ersetzen?
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Das “Gedicht” von Günter Grass, über das derzeit alle diskutieren.
Hat Günter Grass die israelische Politik kritisiert?
Hat er gesagt, dass die Israelis eine brutale Besatzungspolitik betreiben, dass sie einen Angriff auf Atomfabriken vorbereiten, der den Konflikt gefährlich verschärfen könnte, dass das israelische Parlament Gesetze verabschiedet, die die Rechte der arabischen Israelis beschneiden? Hat er von Kriegsverbrechen der israelischen Armee in Gaza gesprochen? Hat er die Siedlungspolitik angegriffen, die immer größere Teile der besetzten Gebiete zu israelischem Territorium macht und damit eine Zweistaatenlösung unmöglich?
Das wäre Kritik an Israel gewesen, über die man hätte ernsthaft reden können.
Es hätte sich freilich auch niemand besonders darüber aufgeregt, denn das steht ja jeden Tag in der Zeitung, das ist das Gegenteil von einem “Tabu”.
Grass hätte weder die wütenden Reaktionen ausgelöst noch die frenetische Begeisterung anderer – und er hätte auch die israelische Regierung nicht dazu verlockt, ihre eigene politische Klientel mit so einem demagogischen Unsinn wie einem “Einreiseverbot” zu begeistern.
Aber merkwürdig genug, all das hat Grass nicht getan. Er hat eigentlich gar nicht über israelische Politik gesprochen.
Grass hat sich in seine Fantasie verrannt, die Israelis würden einen atomaren Erstschlag gegen den Iran planen und würden das “iranische Volk auslöschen” wollen, also einen Holocaust vorbereiten. Nun, daran denken in Israel nicht einmal die kriegslüsterndsten Falken – im Gegensatz zu (umgekehrt) manchen iranischen Politikern, die freilich damit auch eher ihrem eigenen Volk und Konkurrenten im islamischen Lager die Muskeln zeigen wollen.
Er hat behauptet, Israel sei die größte Gefahr für den Weltfrieden. (Nun, das haben – man tausche Israel gegen Juden – in Deutschland tatsächlich zuletzt die Nazis behauptet.)
Er hat sich selbst als “Überlebender” bezeichnet, und offen gelassen, ob er damit das Überleben seiner Teilnahme als Soldat und NSDAP-Mitglied im Zweiten Weltkrieg meint, oder das Überleben des von Israel geplanten kommenden Holocaust und Weltkriegs.
Er hat behauptet, er würde jetzt endlich die Wahrheit sagen (so als habe er bislang immer gelogen? Aus Zwang?).
Er hat behauptet, er dürfe so etwas nicht schreiben. (Nun bis jetzt hat es ihm niemand verboten. Und das, obwohl es in einem Rechtsstaat durchaus verboten ist, irgendwelche absurden Dinge über Leute zu verbreiten.)
Er hat, wie er pathetisch sagt, mit “letzter Tinte” geschrieben. Ist dieses Gedicht also sein Vermächtnis, sein Testament?
Mit Kritik an Israel hat das alles eigentlich nichts zu tun, nicht einmal mit harscher Kritik. Hier schreibt einer über seine eigenen Alpträume, seine Schuldkomplexe und seine Verschwörungstheorien. Das ist noch nicht unbedingt Antisemitismus. Es ist bloß die Suppe aus dem er meistens entsteht. Aber vielleicht ist Grass in diesem Fall ja wirklich die Tinte ausgegangen.
Das Problem ist, solches Ressentiments ist genau das, was es schwerer und nicht leichter macht Israel und seine Politik zu kritisieren. Denn gegen solches Ressentiment, nicht gegen die legitimen Interessen der Palästinenser, muss man Israel tatsächlich verteidigen. Selbst dann, wenn man seine Politik trotzdem radikal kritisiert.
Ist man das? Behauptet das ernsthaft jemand?
Ist es wirklich so schwer, Kritik an israelischer Politik von Kritik an “Israel” zu unterscheiden? Oder auch eine vielleicht etwas pauschal formulierte aber durchaus legitime Kritik an Israel von antisemitischem Ressentiment.
Zumeist genügt es einen einfachen Test zu machen. Lässt sich das Wort “Israel” allzu leicht durch das Wort “Juden” ersetzen?
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Das “Gedicht” von Günter Grass, über das derzeit alle diskutieren.
Hat Günter Grass die israelische Politik kritisiert?
Hat er gesagt, dass die Israelis eine brutale Besatzungspolitik betreiben, dass sie einen Angriff auf Atomfabriken vorbereiten, der den Konflikt gefährlich verschärfen könnte, dass das israelische Parlament Gesetze verabschiedet, die die Rechte der arabischen Israelis beschneiden? Hat er von Kriegsverbrechen der israelischen Armee in Gaza gesprochen? Hat er die Siedlungspolitik angegriffen, die immer größere Teile der besetzten Gebiete zu israelischem Territorium macht und damit eine Zweistaatenlösung unmöglich?
Das wäre Kritik an Israel gewesen, über die man hätte ernsthaft reden können.
Es hätte sich freilich auch niemand besonders darüber aufgeregt, denn das steht ja jeden Tag in der Zeitung, das ist das Gegenteil von einem “Tabu”.
Grass hätte weder die wütenden Reaktionen ausgelöst noch die frenetische Begeisterung anderer – und er hätte auch die israelische Regierung nicht dazu verlockt, ihre eigene politische Klientel mit so einem demagogischen Unsinn wie einem “Einreiseverbot” zu begeistern.
Aber merkwürdig genug, all das hat Grass nicht getan. Er hat eigentlich gar nicht über israelische Politik gesprochen.
Grass hat sich in seine Fantasie verrannt, die Israelis würden einen atomaren Erstschlag gegen den Iran planen und würden das “iranische Volk auslöschen” wollen, also einen Holocaust vorbereiten. Nun, daran denken in Israel nicht einmal die kriegslüsterndsten Falken – im Gegensatz zu (umgekehrt) manchen iranischen Politikern, die freilich damit auch eher ihrem eigenen Volk und Konkurrenten im islamischen Lager die Muskeln zeigen wollen.
Er hat behauptet, Israel sei die größte Gefahr für den Weltfrieden. (Nun, das haben – man tausche Israel gegen Juden – in Deutschland tatsächlich zuletzt die Nazis behauptet.)
Er hat sich selbst als “Überlebender” bezeichnet, und offen gelassen, ob er damit das Überleben seiner Teilnahme als Soldat und NSDAP-Mitglied im Zweiten Weltkrieg meint, oder das Überleben des von Israel geplanten kommenden Holocaust und Weltkriegs.
Er hat behauptet, er würde jetzt endlich die Wahrheit sagen (so als habe er bislang immer gelogen? Aus Zwang?).
Er hat behauptet, er dürfe so etwas nicht schreiben. (Nun bis jetzt hat es ihm niemand verboten. Und das, obwohl es in einem Rechtsstaat durchaus verboten ist, irgendwelche absurden Dinge über Leute zu verbreiten.)
Er hat, wie er pathetisch sagt, mit “letzter Tinte” geschrieben. Ist dieses Gedicht also sein Vermächtnis, sein Testament?
Mit Kritik an Israel hat das alles eigentlich nichts zu tun, nicht einmal mit harscher Kritik. Hier schreibt einer über seine eigenen Alpträume, seine Schuldkomplexe und seine Verschwörungstheorien. Das ist noch nicht unbedingt Antisemitismus. Es ist bloß die Suppe aus dem er meistens entsteht. Aber vielleicht ist Grass in diesem Fall ja wirklich die Tinte ausgegangen.
Das Problem ist, solches Ressentiments ist genau das, was es schwerer und nicht leichter macht Israel und seine Politik zu kritisieren. Denn gegen solches Ressentiment, nicht gegen die legitimen Interessen der Palästinenser, muss man Israel tatsächlich verteidigen. Selbst dann, wenn man seine Politik trotzdem radikal kritisiert.
Hanno Loewy, Samstag, 5. Mai 2012