22.Mai 2012
Ist ein Wein oder eine Speise dann noch koscher, wenn sie von einer nichtjüdischen Person ausgeschenkt wird?

Maria Anna

  • Da kommt darauf an, wie streng sich jemand an die Kaschrut hält.

    Für den Wein gilt folgendes:
    Vor allem zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Wein als koscher gilt: Er darf nicht von einem Nichtjuden berührt werden oder worden sein und darf ausschliesslich koschere Zutaten enthalten.
    Die traditionellen jüdischen Gesetze besagen, dass koscherer Wein unrein werden kann, wenn er von einem Nichtjuden berührt oder ausgeschenkt wird. Manche koscheren Weine werden daher vor dem Abfüllen gekocht (mewuschal). Dann bleibt der Wein im religiösen Sinn rein, egal wer mit ihm in Berührung kommt.

    Zu den Speisen:
    Koschere Speisen können auch von Nichtjuden produziert werden, wenn dabei die Kaschrut, die Speisegesetze, eingehalten werden. Dazu mehr z.B. auf Wikipedia:http://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Speisegesetze oder auf der Website der Sonderausstellung “Koscher&Co. Eine Ausstellung über Essen und Religion. http://www.jmberlin.de/koscher/ausstellung.html

    Melissa Dettling, Mittwoch, 23. Mai 2012

  • Warum wird ein Wein unkoscher, wenn er von einem Nichtjuden ausgeschenkt wird? Dazu noch eine ergänzende Betrachtung.

    Dafür gibt es nämlich eine durchaus ernsthafte und verständliche, wenn auch irritierende Erklärung.
    Nichtjuden meint natürlich historisch vor allem: Christen. Und Wein hat ja sowohl im Judentum wie auch im Christentum eine rituelle, kultische Bedeutung.
    Im Christentum (jedenfalls im Katholizismus) hat es mit dem Wein nun aber eine Bewandtnis, die Juden ein Graus ist. Er wird als Blut Christi betrachtet – jedenfalls wenn das entsprechende Ritual mit ihm vollzogen wird. Und diese Vorstellung ist in jeder Hinsicht ein Bruch aller jüdischen Traditionen und Regeln. Dazu kommt aber noch eines: Juden haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Christen sie der Zwangstaufe zuführen wollen, bzw. ihren christlichen Ritualen unterwerfen.

    Das gemeinsame Weintrinken ist da natürlich besonders heikel. Also hat man eine talmudische Lösung gefunden. Der koschere Wein wird kurz erhitzt (mevushal = gekocht) und damit symbolisch in etwas anderes als Wein verwandelt. Dann kann auch kein Christ mehr heimlich das Ritual an ihm vollziehen und Juden gegen ihren Willen das Blut Christi einflößen, und sei es, sie an einem symbolischen Akt zu beteiligen, der so etwas meint.

    Religionen sind schon etwas ganz seltsames, wenn man sie ZU ernst nimmt. Aber über die Jahrhunderte haben Juden, als der Willkür unterworfene Minderheit, dabei meistens die schlechteren Karten gezogen und haben verständliche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um nicht überwältigt zu werden.

    Hanno Loewy, Mittwoch, 23. Mai 2012