Der Blog zur
Ausstellung im
Jüdischen Museum
Hohenems
www.jm-hohenems.at

Fr 14. September 2012

Wird die Judenfrage überbewertet? Nehmen Sie sich zu wichtig?

Felix

  • Wir haben lange nachgedacht, wie diese Frage gemeint war.
    Zunächst gibt es eine “Judenfrage” ja nur für Nichtjuden. Und ich weiß es auch nicht, warum so viele nicht-jüdische Menschen alle Fragen die irgendwie mit Juden zusammenhängen, oft so wichtig nehmen. Möglicherweise hat es damit zu tun, dass die christliche Religion auf das Judentum zurückgeht und damit die christliche Zivilisation seit 2000 Jahren sozusagen in einem Erbschaftsstreit liegt, allerdings im Streit um das Erbe von jemand, der gar nicht gestorben ist.

    Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass es noch nicht so lange her ist, dass der Versuch unternommen wurde, alle Juden in Europa umzubringen, und man bis heute nicht so recht weiß, wer eigentlich alles an diesem Versuch beteiligt war und wieviele ihn irgendwie “richtig” fanden.

    Vielleicht finden auch viele Leute die jüdische Kultur interessant, weil sich darin viele Fragen stellen, die für alle Menschen wichtig sind (Heimat und Mobilität, Tradition und Moderne).

    In jedem Fall interessieren sich viele Menschen für “Jüdisches” und ganz besonders viele für die jetzige Ausstellung. Insofern kann ich nicht beurteilen, ob wir “uns” (wen genau haben Sie mit “Sie” gemeint? “Die Juden” oder die Museumsmitarbeiter?) “zu” wichtig nehmen. Wir machen unsere Arbeit und freuen uns darüber, dass es viele Menschen gibt, die uns besuchen, weil sie das wichtig finden.
    Und fragen uns manchmal auch, nur eben ein bissel anderes herum als Sie, warum soviele Leute “uns” wichtig finden.

    Hanno Loewy, Donnerstag, 4. Oktober 2012

Mi 12. September 2012

Gibt es im Judentum einen Brauch, bei dem die Frauen ihr Kopfhaar verlieren? Und nachher eine Perücke tragen?

Gudrun Blumenschein

  • Dieses Thema hat uns schon wiederholt beschäftigt:

    Die meisten jüdischen Frauen kümmern sich nicht um dieses Thema. Strenggläubige, orthodoxe Frauen, verdecken aber, wenn sie verheiratet sind, ihr Haar. Das tun sie, je nach Brauch und Tradition, auf verschiedene Weise. Das kann ein Kopftuch oder eine Mütze sein. Oder eben eine Perücke, unter der man sein Haar entweder kurz trägt oder ganz abrasiert.

    Die Bibel kennt dazu keine Vorschriften. Die Idee, dass die weibliche Haarpracht unkeusche Gedanken und Gefühle wecken könnte und Männer zur Übertretung des 10. Gebotes (Du sollst nicht begehren Deines nächsten Weib) verführen würde, wird erst im Talmud breiter diskutiert.
    In der Tora ist zum ersten mal davon in der Episode die Rede in der Rebekka (Rivka) ihren zukünftigen Ehemann Yitzchak trifft und vorher ihr Haar bedeckt (Tora Parashat Chaye Sarah), sowie an einer anderen Stelle, wo es darum geht, dass Ehefrauen, die verdächtigt werden, Ehebruch begangen zu haben und zum Beweis von Schuld oder Unschuld das “Sotahwasser” (Mei Sotah) vom Cohen (Tempelpriester) verabreicht bekommen, ihre Kopfbedeckung absetzen müssen (siehe Tora Parasha Nasso).
    Genauer wird die Kopfbedeckung der verheirateten Frau aber erst im Talmud Traktat Ketubot 72a beschrieben, sowie (sehr viel später) im Shulchan Aruch – Orach Chaim 75:2.

    Die verschiedenen Bräuche, die Haare zu verbergen, entstehen nach und nach und sind weder einheitlich noch verbindlich, auch wenn orthodoxe Rabbiner das manchmal gerne so darstellen.

    “Frag den Rabbi” antwortet darauf so:
    http://www.hagalil.com/judentum/rabbi/fh-0802-6.htm

    Und ein schönes statement einer jüdischen Frau zu diesem Thema findet sich auf “Annas Blog” im Internet:
    http://mittendrin.wordpress.com/2008/04/06/die-kopfbedeckung-bei-judischen-frauen/

    Hanno Loewy, Donnerstag, 13. September 2012

Mi 12. September 2012

Warum wurden Juden immer verfolgt?

anonym

  • Das ist eine schwierige Frage, die sich nicht in zwei Sätzen beantworten lässt.
    Hier eine Auswahl von Antworten, die wir im Blog schon versucht haben:

    Nicht zu aller Zeit und nicht an jedem Ort wurden Juden verfolgt, im Gegenteil: Es gab viele Phasen entspannten und gedeihlichen Zusammenlebens von Juden mit der sie umgebenden Mehrheitsgesellschaft. Unser Blick auf die Geschichte ist dabei durch die Massenvernichtung in der NS-Zeit beeinträchtigt, und wir neigen dazu, die jüdische Geschichte als eine Abfolge von Pogromen zu sehen.
    “Man” hat die Juden also nicht verfolgt, sondern es waren immer ganz bestimmte Täter mit ganz bestimmten Interessen, seien es böswillige Nachbarn oder auch Könige oder Grafen, die vielleicht eine Rechnung für gelieferte Waren nicht bezahlen wollten.
    Den theoretischen Hintergrund für die soziale Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung der Juden lieferte das Christentum mit dem Vorwurf des Gottesmordes. Die Kreuzigung Jesu wurde dabei als Kollektivschuld den Juden umgehängt und immer auch den zeitgenössischen Juden zum Vorwurf gemacht. Die Substitutionstheologie lehrte zudem, dass die Juden ihre religiöse “Auserwähltheit” an die christliche Kirche verloren hätten, da sie Jesus nicht als Messias akzeptierten. Nun liege ein Fluch Gottes auf allen Juden. Das motivierte und erleichterte, sie zu diskrimieren und auszugrenzen, bei Gelegenheit zu berauben, zu vertreiben oder zu ermorden.
    Hannes Sulzenbacher, Donnerstag, 5. April 2012

    Blutige Verfolgung von Minderheiten war weder in der europäischen noch in der allgemeinen Geschichte eine Seltenheit.
    Juden waren als Minderheit innerhalb eines “christlichen Europas” freilich oft in einer besonders prekären Situation – die nicht nur von Verfolgung sondern auch von Vereinnahmung geprägt war und ist. Die christliche Bewegung ist ursprünglich aus dem Judentum heraus entstanden, und hat ihr Verhältnis zu ihrer Herkunft nie eindeutig klären können. Daran ist das Judentum tatsächlich auf gewisse Weise “schuld”, wenn auch nur dadurch, dass es weiter existieren möchte. Die ersten Christen verstanden sich im Grunde noch selbst als Juden, freilich als solche, die den Schritt zur aktiven messianischen Mission tun wollten. Die jüdische Tradition ist ihnen nicht gefolgt – und so begann der Weg einer christlichen Theologie, die die jüdische “Verstocktheit” (also ihr Beharren auf der Unerlöstheit der Welt) als “Schuld” interpretierte. Diese Vorstellung konnte viele Formen annehmen:
    Sie konnte darin münden, die Fortexistenz des Judentums zwar zu akzeptieren, sein Exil und Leiden aber als Zeugnis für das historische Recht des Christentums zu werten. Daraus wurde eine häufig verfolgte Politik christlicher Herrschaft, Juden zwar zu tolerieren, aber streng zu kontrollieren und zu beherrschen.
    Daraus konnte aber auch immer wieder das Recht abgeleitet werden, sie zu verfolgen und ihnen das Existenzrecht abzusprechen.
    Anders als viele andere Minderheiten, die in der Geschichte verfolgt wurden, gingen die Juden in der Mehrheitsbevölkerung nicht einfach auf, sondern behielten ihren prekären Status bei. Sie waren zugleich “nah” und “fern”, sie waren zugleich das “andere” des Christentums schlechthin, jenes “andere” auf das das eigene untrennbar bezogen blieb, denn schließlich basierte das Christentum auf der Wahrnehmung eines jüdischen Propheten als Messias. Zugleich war das Judentum durch seine geografische Zerstreuung (die ja schon lange vor dem Beginn der Zeitrechnung eine Tatsache war) fast überall präsent und das heißt auch, als Minderheit greifbar, wenn die Mehrheit einen Sündenbock brauchte. Und das war meisten dann er Fall, wenn die Widersprüche innerhalb der Mehrheit oder die Konflikte zwischen konkurrierenden Mächten über Territorien und Ressourcen, oder über die Loyalität von Bevölkerungen besonders dramatisch wurden. Dann wurden schlummernde Ressentiments gegen die jüdische Minderheit leicht aktiviert und die Juden als “Dritte” in vielen Konflikten zum Spielball antijüdischer aber auch “projüdischer” Ideologien.
    Das war so in den Konflikten zwischen der Kirche und ihren Abtrünnigen im Mittelalter, das war so im Konflikt zwischen Katholizismus und Protestantismus und in den großen sozialen Konflikten im Kapitalismus Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts und ist heute so in den Konflikten zwischen verschiedenen Gruppierungen im politischen Islamismus (und wenn man so will zwischen “westlicher” Politik und den politischen Bewegungen im Nahen Osten). In dieser Situation als Spielball von Interessen sind Juden durchaus zu einer erfolgreichen Minderheit geworden, was sie zu alldem noch zum Objekt von Neid und Konkurrenzdruck gemacht hat. Ökonomische Interessen an Handel und Entwicklung, die den Juden in verschiedenen Gesellschaften unter strenger Reglementierung immer wieder besondere Berufsfelder zuwiesen haben dafür gesorgt, dass auch ihr sozialer Status prekär und besonders sichtbar wurde. Als Angehörige von freien und Handelsberufen waren sie ökonomisch wertvoll und zugleich auf den besonderen Schutz der Herrschaft angewiesen – und konnten jederzeit als Sündenbock preisgegeben werden, wenn es zu Spannungen kam.
    Besonders drastisch erlebten Juden diese Wechselfälle von Vefolgung und Vereinnahmung schon im Spanien vor und während der Reconquista. Solange Teile Spaniens unter islamischer Herrschaft standen, hatten sie nicht nur im Territorium des islamischen Kalifats über lange Zeit hinweg einen gesicherten Rechtsstatus, sondern bis ins 14. Jahrhundert hinein auch in manchen christlichen Provinzen Spaniens eine halbwegs gesicherte Existenz. Und wurden von beiden Seiten zum Teil als Bündnispartner oder auch als positiver sozialer Faktor hofiert.
    Unter dem Eindruck der Radikalisierung der Konkurrenz um die iberische Halbinsel zwischen christlichen Königen und Muslimen, aber auch zwischen verschiedenen Strömungen innerhalb der islamischen und der christlichen Gesellschaften kam es – vor allem im 14. Jahrhundert – zu den ersten blutigen Pogromen, Vertreibungen und unter christlicher Herrschaft zu Zwangskonversionen. Mit dem endgültigen Sieg der christlichen Herrschaft in Spanien blieb den Juden nur Flucht, Tod oder Konversion. Bald darauf aber setzte die neue spanische Inquisition den Konvertiten gewaltsam zu und bald standen auch die zum Christentum konvertierten Juden und Muslime unter Generalverdacht und durften schließlich keine öffentlichen oder geistlichen Ämter mehr ausüben. Schon damals wurde die Parole von der “Reinheit des Blutes” zum Gesetz. Zur gleichen Zeit entstanden neue, blühende jüdische Gemeinden, nicht zuletzt im Osmanischen Reich.
    Und das Wechselbad von Jahrhunderten von halbwegs friedlichem, wenn auch diskriminierend organisiertem Zusammenleben und kurzfristigen Wellen von Verfolgung ging anderswo weiter…
    Hanno Loewy, 7. April 2012

    Die Diskussion darüber füllt ganze Bibliotheken – eine einfache Antwort darauf können auch wir nicht geben. Und einzelne Buchtitel zu nennen ist bei diesem durchaus kontroversen Thema schwierig. Am Besten nehmen Sie Saul Friedländers Gesamtdarstellung zur Hand: “Das Dritte Reich und die Juden”. Darin findet sich die wohl vielschichtigste Beschreibung, die es dazu gibt.

    Im Grunde ist Ihre Frage bei uns an der “falschen” Adresse. Denn schließlich ist es eine Frage an die Täter und an die deutsche und österreichische Gesellschaft, oder an Institutionen die sich mit der Geschichte Deutschlands und Österreichs und Vorarlbergs beschäftigen. Trotzdem wird sie immer wieder in Jüdischen Museen gestellt. Und häufig wird sie Juden gestellt. In anderen Fällen hält man Opfer eigentlich nicht für die geborenen Experten für die Motive der Täter. Es ist ein wenig so, wie wenn man Frauen fragt, warum sie vergewaltigt wurden. Dahinter steckt manchmal, leider gar nicht selten, nämlich auch die Frage: “Was hast Du dazu beigetragen?” Da wird einem unwohl und deswegen haben viele Mitarbeiter jüdischer Museen bei solchen Fragen einen ersten Impuls des Widerstands.
    Und doch gibt es auch andere Gründe, warum diese Frage gestellt wird. Einer dieser Gründe ist tatsächlich, dass es doch auch und gerade die Opfer waren, die nach 1945 überhaupt die Spuren der Verbrechen systematisch sicherten. Und dass sich tatsächlich viele Juden fragten, warum Ihnen das geschah. Und schließlich: Jüdische Museen sind keine “jüdischen Institutionen” sondern Orte der Auseinandersetzung mit Fragen jüdischer Geschichte. Und jüdische Geschichte lässt sich von solchen Fragen kaum trennen.

    Judenfeindlichkeit hat es im christlichen Europa immer gegeben, mal virulent und mal offen. Das hat mit den Ursprüngen des Christentums zu tun. (Siehe dazu unsere Antwort auf die Frage “Warum verfolgte man die Juden?” am 4. April)
    Seit dem 19. Jahrhundert haben sich solche traditionellen judenfeindlichen Ressentiments mit dem modernen Nationalismus verbunden und mit dem aufkommenden Rassismus. So entstanden politische Bewegungen, die sich explizit als “antisemitisch” verstanden und die angebliche “Judenfrage” als nationale und als Rassenfrage “lösen” wollten. Solche Bewegungen waren besonders in Österreich (die christlichsoziale Partei) und in Deutschland stark, aber um 1900 zeitweise auch in Frankreich besonders ausgeprägt (dort verbunden mit der verbreiteten Phantasie, die Juden wären “feindlliche Agenten” der Deutschen…). Im Grunde gab es sie in ganz Europa und auch darüberhinaus.
    Nach dem ersten Weltkrieg stießen antisemitische Strömungen dann vor allem in Österreich und Deutschland auf einen fruchtbaren Boden, schließlich suchte man für die Erfahrung des verlorenen Krieges einen Sündenbock.
    Hinzu kamen viele unterschiedliche Motive, traditionelle religiöse und soziale: auch für die Spaltung der Gesellschaft, die durch die wachsenden sozialen Gegensätze im Zeichen kapitalistischer Wirtschaft gekennzeichnet war, suchte man einen äußeren Feind verantwortlich zu machen. Und besonders überzeugend wirkten in der sich zuspitzenden wirtschaftlichen Krise um 1930 schließlich jene Vorstellungen, die einen äußeren Feind im Innern identifizieren konnten: also eine soziale Gruppe, die zugleich innen und außen war. Juden waren dies in besonderer Weise, als in bestimmten Berufen erfolgreiche Minderheit exponiert, und durch lange kultivierte jederzeit wachzurufende Ressentiments der Mehrheit besonders leicht auszugrenzen. Gegen sie war schon immer Neid zu mobilisieren, sie waren immer wieder das Ventil für sich aufstauende soziale Konflikte.
    Im Nationalsozialismus, der sich anschickte, die Weltherrschaft zu erlangen und der die Deutschen (und Österreicher) als zur Herrschaft “auserwähltes Volk” ansah, nahm das Projekt, Deutschland, dann Europa, dann die Welt “judenfrei” zu machen, schließlich einen zentralen Stellenwert ein. Ihre Beseitigung (ein schönes Wort für etwas, das schließlich nur als Mord realisierbar war) wurde schließlich als Schlüssel zur Lösung aller Probleme angesehen. Juden gab es schließlich überall, das heißt, sie “treffen” zu wollen gab die perfekte Legitimation für den eigenen Größenwahn, den Krieg gegen die ganze Welt. Und zugleich konnte man damit auch die besetzten Länder und ihre Bevölkerungen mit vor den eigenen Karren spannen. Denn Antisemitismus gab es dort auch.
    Schließlich hatte das Ganze auch noch eine “praktische” Seite: man konnte sich bereichern, Konkurrenten loswerden, Karrieren machen. Das war zwar nicht die Erklärung für die Verfolgung, aber es brachte zusätzlichen, persönlich motivierten Antrieb ins Geschehen, machte es leichter, mitzumachen, korrumpierte, band ein, gab dem ganzen den Ganzen (aus der Perspektive der Individuen) den Charakter “rationaler” Handlungen.

    Hanno Loewy, 11. April 2012

    Hanno Loewy, Donnerstag, 4. Oktober 2012

Di 11. September 2012

Wieso haben verfolgte Juden keine Söldnertruppen gekauft?

Georg & Schua

  • Das ist eine gute Frage. Nur: wie hätten sie das tun sollen, als Minderheit ohne eigenes Territorium, das man verteidigen könnte?
    Ich vermute, der Versuch von Juden in einem Ghetto, Christen als Söldner anzuheuern, wäre unter den gegebenen Machtverhältnissen nicht wirklich gut ausgegangen.

    Hanno Loewy, Donnerstag, 13. September 2012

So 9. September 2012

Darf ein Jude der schon einmal verheiratet war, erneut heiraten? Wann kann jemand der Christ ist, Jude werden?

Claudia Peggi

Fr 7. September 2012

Warum war Jesus Jude? Und: Warum ein Jude Jesus? (Heilsgeschichtlich gesehen)

Edgar Rohmert

  • Die erste Frage ist zugleich leicht und schwer zu beantworten:
    Weil seine Eltern beide Juden waren. Ob Josef allerdings der leibliche Vater war, darüber ist man sich bekanntlich nicht ganz sicher. Die meisten Christen glauben ja, dass Jesus Gottes Sohn war. Das aber ist eine Frage, die ich nicht sicher beantworten kann – und letztlich wohl niemand auf der Welt.

    Die zweite Frage wird man sehr unterschiedlich beantworten, je nachdem ob man an eine Heilsgeschichte glaubt oder nicht. Die hebräische Bibel ist voller Anspielungen auf einen kommenden Messias. Und natürlich soll dieser Messias aus dem jüdischen Volk kommen und natürlich möglichst aus einem Stamm, der schon mal einen Helden geboren hat, zum Beispiel die Familie, aus der David stammte.
    Wenn man der Auffassung ist, dass der Messias nun gekommen ist, dann braucht man nicht lange danach zu suchen, und wird in der Bibel fündig. Man muss bloß alle Anspielungen die nicht passen, einfach vergessen, und sich diejenigen heraussuchen, die eben passen. It’s all in the eye of the beholder.

    Hanno Loewy, Donnerstag, 13. September 2012

Di 4. September 2012

Das Thema “Perücke bei jüdischen Frauen” interessiert mich. Weshalb werden Haare abgeschnitten – um dann künstliche zu tragen?

Ilana Wyrsch

  • Dieses Thema hat uns schon wiederholt beschäftigt:

    Orthodoxe jüdische Frauen bedecken ihre Haare ab dem Moment, wenn sie verheiratet sind. Das kann auf verschiedene Weise geschehen. Und natürlich sollen die Haare damit zur Intimsphäre der Ehe geschlagen werden und die Attraktivität der Frau für andere Männer gemindert.
    Es geht also um die Steuerung von Sexualität, bzw. sexuellen Bedürfnissen, die in allen Religionen ja eine besondere Rolle spielt.
    Perücken sind (neben Kopftüchern und Hauben) für orthodoxe jüdische Frauen eine mögliche Form, die Haare zu bedecken. Die eigene Haare lieber mit fremden (also nicht unbedingt künstlichen: schließlich werden die Perücken traditionell vor allem aus Echthaar hergestellt) Haaren zu bedecken, statt sich ein Tuch um den Kopf zu binden, ist eine Geschmackssache. Und natürlich eine Frage regionaler Traditionen.

    Die Frage der Herkunft der Haare hat allerdings unter strenggläubigen für folgenreiche Diskussionen gesorgt.
    Die meisten Perücken werden heutzutage aus indischen Haaren angefertigt. Dort opfern die Frauen regelmäßig ihre langen Haare. Dazu ist die Qualität der Haare sehr gut, da sie kaum gebleicht und gefärbt sind. Auch die jüdischen Frauen ließen sich daraus Perücken anfertigen. Bis 2004 ein israelischer Rabbiner in der USA feststellte, dass dieses Haar nicht koscher ist. Hindus verehren mehrere Götter, was nach jüdischem Glauben Götzenanbetung ist. Indische Haare, die während einer Tempelzeremonie geopfert werden, dürfen demnach nicht von gläubigen jüdischen Frauen getragen werden, erklärte Rabbiner Shalom Yosef Elyashiv. Schließlich sind sie nach strenger Auslegung das unmittelbare Produkt eines “Götzendienstes”.

    Das hat dazu geführt, dass verstärkt auch synthetische Haare verwendet wurden. Inzwischen sind jedoch koschere Perücken mit Haaren aus Osteuropa sehr beliebt.

    In der Tora ist zum ersten mal von der weiblichen Kopfbedeckung in der Episode die Rede in der Rebekka (Rivka) ihren zukünftigen Ehemann Yitzchak trifft und vorher ihr Haar bedeckt (Tora Parashat Chaye Sarah), sowie an einer anderen Stelle, wo es darum geht, dass Ehefrauen, die verdächtigt werden, Ehebruch begangen zu haben und zum Beweis von Schuld oder Unschuld das “Sotahwasser” (Mei Sotah) vom Cohen (Tempelpriester) verabreicht bekommen, ihre Kopfbedeckung absetzen müssen (siehe Tora Parasha Nasso).
    Vor allem wird die Kopfbedeckung der verheirateten Frau im Talmud Traktat Ketubot 72a beschrieben, sowie (sehr viel später) im Shulchan Aruch – Orach Chaim 75:2.

    Hanno Loewy, Freitag, 7. September 2012

So 2. September 2012

Anne Frank war eine tapfere Jüdin!

anonym

  • stimmt

    Hanno Loewy, Freitag, 7. September 2012

So 2. September 2012

Weshalb hatten die Juden so lange keinen eigenen Staat?

htu

  • Darauf gibt es natürlich verschiedene Antworten. Vielleicht ist die Frage ja auch, warum es die Juden so lange ohne einen eigenen Staat gibt? Völker ohne Staat gab es viele und gibt es auch heute, aber die meisten existieren nicht so lange in der Geschichte.
    Die Geschichte der Staaten und politischen Mächte an der Nahtstelle von Europa, Asien und Afrika ist nie von Kontinuität geprägt gewesen. Es gab Stammesgebiete, Königreiche (darunter auch eine Zeitlang ein jüdisches, dann sogar gleichzeitig zwei verschiedene jüdische), Besetzungen durch große Mächte von den Assyrern und Persern bis zu den Osmanen. Man braucht nur auf die Weltkarte zu schauen und wird sich darüber auch nicht wundern. Die “Mitte” möchte nun einmal jeder gerne besetzen und besitzen, weil man dann selbst die Mitte, also der Maßstab für alle ist.
    Das haben in der Geschichte schon viele versucht. Auf Dauer ist das nie.
    Überlebt aber haben die Juden nicht, weil sie ein Land besessen haben, sondern weil sie gelernt haben, dass man auch ohne Land eine Mitte besitzen kann. Das hat sie nicht daran gehindert, weiter vom “heiligen Land” zu träumen und sich danach zu sehnen. Aber die Sehnsucht kann eine stärkere Macht sein, als der Besitz.

    Hanno Loewy, Freitag, 7. September 2012

Sa 1. September 2012

Kann man Jude/Jüdin werden? D.h. ohne jüdische Verwandtschaft.

Susanna Gunal

  • Natürlich können Sie Jüdin werden, wenn Sie sich dem Prozess der Konversion zum Judentum unterziehen. Dieser beinhaltet neben einer Prüfung das Eintauchen in einer Mikwe. Das Jüdische Museum Hohenems bereitet seine nächste Ausstellung genau zu diesem thema vor: “Treten Sie ein! Treten Sie aus! Warum Menschen ihre Religion wechseln.” Ab 22. Oktober im Museum.

    Hannes Sulzenbacher, Mittwoch, 5. September 2012