Der Blog zur
Ausstellung im
Jüdischen Museum
Hohenems
www.jm-hohenems.at

Di 4. September 2012

Das Thema “Perücke bei jüdischen Frauen” interessiert mich. Weshalb werden Haare abgeschnitten – um dann künstliche zu tragen?

Ilana Wyrsch

  • Dieses Thema hat uns schon wiederholt beschäftigt:

    Orthodoxe jüdische Frauen bedecken ihre Haare ab dem Moment, wenn sie verheiratet sind. Das kann auf verschiedene Weise geschehen. Und natürlich sollen die Haare damit zur Intimsphäre der Ehe geschlagen werden und die Attraktivität der Frau für andere Männer gemindert.
    Es geht also um die Steuerung von Sexualität, bzw. sexuellen Bedürfnissen, die in allen Religionen ja eine besondere Rolle spielt.
    Perücken sind (neben Kopftüchern und Hauben) für orthodoxe jüdische Frauen eine mögliche Form, die Haare zu bedecken. Die eigene Haare lieber mit fremden (also nicht unbedingt künstlichen: schließlich werden die Perücken traditionell vor allem aus Echthaar hergestellt) Haaren zu bedecken, statt sich ein Tuch um den Kopf zu binden, ist eine Geschmackssache. Und natürlich eine Frage regionaler Traditionen.

    Die Frage der Herkunft der Haare hat allerdings unter strenggläubigen für folgenreiche Diskussionen gesorgt.
    Die meisten Perücken werden heutzutage aus indischen Haaren angefertigt. Dort opfern die Frauen regelmäßig ihre langen Haare. Dazu ist die Qualität der Haare sehr gut, da sie kaum gebleicht und gefärbt sind. Auch die jüdischen Frauen ließen sich daraus Perücken anfertigen. Bis 2004 ein israelischer Rabbiner in der USA feststellte, dass dieses Haar nicht koscher ist. Hindus verehren mehrere Götter, was nach jüdischem Glauben Götzenanbetung ist. Indische Haare, die während einer Tempelzeremonie geopfert werden, dürfen demnach nicht von gläubigen jüdischen Frauen getragen werden, erklärte Rabbiner Shalom Yosef Elyashiv. Schließlich sind sie nach strenger Auslegung das unmittelbare Produkt eines “Götzendienstes”.

    Das hat dazu geführt, dass verstärkt auch synthetische Haare verwendet wurden. Inzwischen sind jedoch koschere Perücken mit Haaren aus Osteuropa sehr beliebt.

    In der Tora ist zum ersten mal von der weiblichen Kopfbedeckung in der Episode die Rede in der Rebekka (Rivka) ihren zukünftigen Ehemann Yitzchak trifft und vorher ihr Haar bedeckt (Tora Parashat Chaye Sarah), sowie an einer anderen Stelle, wo es darum geht, dass Ehefrauen, die verdächtigt werden, Ehebruch begangen zu haben und zum Beweis von Schuld oder Unschuld das “Sotahwasser” (Mei Sotah) vom Cohen (Tempelpriester) verabreicht bekommen, ihre Kopfbedeckung absetzen müssen (siehe Tora Parasha Nasso).
    Vor allem wird die Kopfbedeckung der verheirateten Frau im Talmud Traktat Ketubot 72a beschrieben, sowie (sehr viel später) im Shulchan Aruch – Orach Chaim 75:2.

    Hanno Loewy, Freitag, 7. September 2012