Der Blog zur
Ausstellung im
Jüdischen Museum
Hohenems
www.jm-hohenems.at

Sa 31. März 2012

Wie ist das Jiddische entstanden und warum? Ist Jiddisch eine VO- oder eine OV-Sprache?

Scandanella

  • Die jiddische Grammatik ist deutschbasiert, somit ist Jiddisch eine VO-Sprache, in der das Verb also vor dem Objekt steht. Entstanden ist die Sprache vor 1000 Jahren, als sich die deutschsprachigen Opfer der christlichen Judenverfolgungen in Osteuropa niederließen. Für die Sprecher selbst blieb die Sprache auch immer “daitsch”. Neben aramäischen, hebräischen und slawischen Beimischungen lassen sich vor allem die mittelhochdeutschen Sprachwurzeln des Jiddischen gut heraushören.

    Hannes Sulzenbacher, Montag, 2. April 2012

  • Es gibt zwar Linguisten, die das Jiddische eher als VO Sprache ansehen, also als eine Sprache, in der das Verb dem Objekt vorangeht. Aber das ist eher eine Minderheitsposition. Die Expertenmeinungen widersprechen sich da leider.
    Kurz zum Verständnis des Kontexts: einige germanische Sprachen haben im Verlauf der Geschichte die Satzstellung Objekt-Verb herausgebildet (so Deutsch und Niederländisch). Andere wiederum die Satzstellung Verb-Objekt (Englisch und Dänisch zum Beispiel).
    In der Sprachwissenschaft wird dem Jiddischen zumeist eher eine Zwischenposition zugewiesen, die Merkmale beider Satzstellungen in ganz eigener Weise vereint.
    Siehe dazu (für Spezialisten) den informativen Aufsatz von Oliver Schallert: “Wortstellungstypologie des Jiddischen im Spannungsfeld zwischen den germanischen und den slawischen Sprachen”, nachzulesen unter:
    http://www.uetzgenfatz.priv.at/…/Jiddisch-Artikel%20Endversion.pdf

    Hanno Loewy, Samstag, 7. April 2012

Sa 31. März 2012

Ist dieser polnische Film im letzten Ausstellungsraum Ernst oder Ironie? (Deutsche können sowas schwer erkennen)

Rahel Jakobson

  • Liebe Frau Jakobson,
    Yael Bartana hat mit der Filmtrilogie “And Europe will be stunned…” den polnischen Pavillon der Biennale von Venedig 2011 bespielt, also mussten sich diese Frage die Angehörigen aller Nationalitäten stellen, die sich Bartanas vieldeutige Installation angesehen haben. In der Trilogie werde reihenweise nationale Mythen und Gründungsgeschichten mit großem Ernst erzählt oder auch durchgeführt bzw. nachgestellt. An manchen Stellen (wie zum Beispiel den Schwenks über die leeren, Gras überwachsenen Ränge des Stadions, in dem die Kundgebung statt findet) blitzt aber die letztlich hilflose Inszenierung der Kundgebung durch. Sie ironisiert, mit welch heroischer Geste uns jene Mythen großer politischer Bewegungen erzählt werden. Eine große Qualität der Arbeit besteht meines Erachtens in dieser poetischen Kombination von scheinbar ernsthaftem Anspruch, heillos anachronistischer Darbietung und der feinen Ironie, die immer wieder bewusst macht, dass es mit dem “Jewish Renaissance Movement” als Massenbewegung wohl nichts werden wird.

    Hannes Sulzenbacher, Montag, 2. April 2012

Sa 31. März 2012

Wieso sind Jiddische so merkwürdig? (= nur auf Emotion gepolt)

Don Pieuer

  • Ihre Frage ist leider unverständlich: “Jiddische” im Sinne von “jiddische Menschen” gibt’s keine. Es ist lediglich eine Sprache, die weltweit von kaum mehr als einer Million Menschen gesprochen wird, und zwar hauptsächlich von wenigen aus Osteuropa stammenden, sehr alten Leuten sowie von manchen ultraorthodoxen Juden. In Österreich und Deutschland besuchen zudem viele Menschen Jiddisch-Kurse. Ob jene erwähnten Gruppen über gemeinsame charakterliche Eigenheiten verfügen, entzieht sich aber meiner Kenntnis.

    Hannes Sulzenbacher, Montag, 2. April 2012