Der Blog zur
Ausstellung im
Jüdischen Museum
Hohenems
www.jm-hohenems.at

Fr 20. Juli 2012

Was sind die nächsten 3 Schritte, um Jude zu werden?

Andrej Rubarth

  • Welche Schritte haben Sie denn schon unternommen?

    Hanno Loewy, Montag, 23. Juli 2012

  • Wenn Sie ernsthaft an einen Übertritt denken, dann sollten Sie einen Rabbiner finden, der Sie auf diesem Weg begleiten will. Das ist nicht ganz einfach, denn Konversionen zum Judentum werden von den jüdischen Gemeinden nicht forciert und nur dann zugelassen, wenn sich der Übertrittswillige wirklich auf Dauer mit dem jüdischen Volk (also nicht nur mit einer religiösen Orientierung) verbinden möchte. Der Übertritt setzt intensives Studium voraus.
    Hier noch Melissa Dettlings Antwort auf eine ähnliche Frage vom 16.4.2012.

    Formal ist der Übertritt zum Judentum möglich, wird aber nicht forciert. Wenn er den Regeln entsprechend vollzogen worden ist, dann ist der Konvertit Jude und in allen Punkten in der Gemeinde gleichberechtigt.
    Aber Probleme gibt es natürlich:
    Erstens: der Faktor Mensch. Menschen sind manchmal schwach und lassen ihre eigene Schwäche an anderen aus. Ein solcher Ausdruck der Schwäche ist es, Konvertiten spüren zu lassen, das sie keine “richtigen” Juden sind. Dem wird man immer wieder begegnen. So wie ein jüdischer oder muslimischer Österreicher wohl immer wieder jemand begegnen wird, der ihm signalisiert, das er gar kein richtiger Österreicher ist.
    Zweitens pflegen (insbesondere da wo viele Juden leben) verschiedene Gemeinden einen unterschiedlichen Umgang mit den Traditionen (von Reform bis orthodox) und das heißt auch, einen unterschiedlichen Umgang mit Konversionen. Ein Übertritt in einer Reformgemeinde in den USA ist sicherlich leichter (wobei man sich auch da keine falschen Vorstellungen machen sollte, anderthalb oder zwei Jahre Zeit sollte man schon mitbringen) als bei einer ultra-orthodoxen Gemeinde.
    Dementsprechend akzeptieren Reformgemeinden auch einen Übertritt bei einer orthodoxen Gemeinde, aber umgekehrt orthodoxe Gemeinden häufig nicht einen Reform-Übertritt.
    Drittens kommt es natürlich auch darauf an, aus welchen Gründen man übertritt. Unterschieden wird zumeist zwischen drei Gründen:
    1. “Re-Konversion” von Menschen, die jüdische Vorfahren haben.
    2. “Liebes-Konversion” zum Zwecke der Eheschließung.
    3. “spirituelle Konversion” aus rein religiösen Gründen.
    Man kann sich vorstellen, dass “Re-Konversionen” oft am unproblematischsten ablaufen, “Liebes-Konversionen” sind besonders häufig und dabei stellt sich, von Seiten der Gemeinde vor allem die Frage, ob der Konvertit bereit ist, für die “jüdische Identität” der Kinder zu sorgen. (Das heißt auch, die Liebeskonversion ist bei Frauen häufiger als bei Männern, die ja für die Frage ob das Kind als “jüdisch” gilt, nicht so entscheidend sind.) Eine irgendwie heikle Frage – auf die man pragmatisch und ein wenig absurd damit antwortet, dass man verlangt zu beweisen, in der Lage zu sein, einen Haushalt unter Einhaltung der traditionellen Rituale und der Kaschrut (den Koscher-Gesetzen) zu führen. (Was die Mehrheit der Juden ja selbst gar nicht tut) Ob die Konversion nachhaltig ist (selbst wenn man sich nachher vielleicht wieder der üblichen Praxis annähert, es mit Kaschrut und Tradition nicht ganz so ernst zu nehmen), das hängt am Ende vor allem vom Erfolg der Ehe ab…
    “Spirituelle Konversionen” werden mit der größten Vorsicht behandelt – und sie erweisen sich tatsächlich auch in der Praxis nicht immer als sehr dauerhaft. Denn wer einmal das Bedürfnis verspürt, sich einem anderen Glauben zuzuwenden, der verspürt dieses Bedürfnis auch oft ein zweites Mal. Als temporäre spirituelle Orientierung hat sich das Judentum freilich in keiner seiner Ausprägungen jemals verstanden.
    Jude zu sein heißt ja letztlich, sich auf eine bestimmte historische Erfahrung zu beziehen. Das ist etwas anderes, als ein spirituelles Erlebnis zu suchen. Und zum Judentum zu konvertieren bedeutet, sich dieser historischen Erfahrung anzuschließen, was vermutlich nicht einfach ist. Aber es ist immer wieder in der Geschichte möglich gewesen.
    Manchmal machen es auch Konvertiten ihrer jüdischen Umgebung nicht ganz leicht, weil sie die Einhaltung der Traditionen oder das spirituelle Erleben in den Vordergrund stellen – und diesen Anspruch auch an ihre Umgebung stellen. Denn schließlich suchen Konvertiten häufig neue Sicherheit.
    Doch man kann Jude sein, ohne gläubig zu sein. Und zum jüdischen Zweifel zu konvertieren ist vielleicht besonders schwierig.
    Ab Oktober 2012 zeigt das Jüdische Museum Hohenems (und 2012 auch die Jüdischen Museen in Frankfurt und in München) eine Ausstellung zum Thema Konversion. Dann gibt es auch einen Katalog mit vielen Antworten auf diese Fragen.

    Hanno Loewy, Mittwoch, 25. Juli 2012

Mi 18. Juli 2012

Warum sieht von Hand geschriebenes Hebräisch immer so viel chaotischer aus als es müsste?

Janina

  • Das ist mit Handschriften in allen Sprachen leider so und wird von Volksschullehrer/innen in aller Welt besonders ungern gesehen.

    Hannes Sulzenbacher, Donnerstag, 19. Juli 2012

Di 17. Juli 2012

Wieviele Juden gab es in Europa?

Sarah Wohlfart

  • Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten insgesamt ca. 17 Millionen Juden. Davon lebte aber nur etwas weniger als die Hälfte in Europa. Große jüdische Gemeinden gab es schon vor 1945 in den USA, vor allem aber auch im arabischen Raum und anderen Ländern in Asien und Afrika. In Europa lebten alleine 3 Millionen Juden in Polen und 500.000 in Deutschland.

    Hanno Loewy, Mittwoch, 25. Juli 2012

Di 17. Juli 2012

Wie viele Juden leben in Vorarlberg??

Annette Meusburger

  • Es gibt keine genauen Zahlen, da sich nicht alle Juden, die heute in Vorarlberg leben, öffentlich als solche “deklarieren”, zum Beispiel, in dem sie Mitglied der jüdischen Gemeinde, also der “Israelitischen Kultusgemeinde von Tirol und Vorarlberg” werden.
    Es werden 60 bis 100 Menschen sein, die zumeist in den letzten zwanzig Jahren zugewandert sind, aus Israel und Russland, aus den USA oder aus der Schweiz, aus Deutschland oder anderen Ländern der Welt.

    Mitte des 19. Jahrhunderts lebten etwa 600 Juden in Vorarlberg, alle in Hohenems, dem einzigen Ort, wo ihnen die Ansiedlung erlaubt war. Mit der Gleichstellung und Ansiedlungsfreiheit seit den 1860er Jahren wurde die Gemeinde in Hohenems immer kleiner, man zog in die Städte, in der Schweiz, in Österreich, Italien, im übrigen Europa und in Übersee. 1938 lebten nur noch 15 Juden in Hohenems, vielleicht 40 in ganz Vorarlberg. 1942 lebte kein Jude mehr in Vorarlberg.
    Nach dem Krieg lebten hier mehr als 1000 jüdische Überlebende des Holocaust und wanderten so bald sie konnten in die USA und nach Israel, aber auch nach Wien oder Antwerpen ab. Inzwischen leben wieder mehr Juden in Vorarlberg als vor 1938, Tendenz langsam steigend.

    Hanno Loewy, Montag, 23. Juli 2012

Di 17. Juli 2012

Der Legobausatz hat mich sehr aufgewühlt. Ist das 1997 noch hergestellt und verkauft worden?

S. Bender

  • Nein, dieser Legobausatz ist nicht käuflich. Er ist ein Werk des polnischen Künstlers Zbigniew Libera. Libera hat 1995 an einer Ausschreibung der Firma Lego teilgenommen, die Künstler aufgefordert hat, Kunst mit Lego zu machen. Libera hat damals sein Lego-Auschwitz aus Originalteilen gebaut, die die Firma Lego zur Verfügung gestellt hat. Lego war mit dem Ergebnis nicht glücklich hat hat Libera zunächst verklagen wollen, die Klage dann aber zurückgezogen. Es gibt drei Exemplare dieses Kunstwerks, eines gehört dem Jewish Museum New York, das diese Arbeit auch als eines der ersten Museen in seiner großen Ausstellung über “Mirroring Evil. Nazi Imagery/Recent Art” (siehe: http://www.jewishpost.com/archives/news/mirroring-evil-nazi-imagery-recent-art.html) im Jahr 2002 zeigte.
    Ein weiteres Set befindet sich in Warschau. Ein drittes (nämlich das in Hohenems gezeigte) befindet sich in der Sammlung des Museums “Haus der Geschichte” in Bonn.

    Hanno Loewy, Donnerstag, 19. Juli 2012

So 15. Juli 2012

Warum wird uns immer noch ein schlechtes Gewissen gemacht. Es wird sich so wiederholen!!

anonym

  • Was haben Sie denn ausgefressen, dass Sie so leicht ein schlechtes Gewissen bekommen?
    Und soll der letzte Satz eine Drohung sein?

    Hanno Loewy, Donnerstag, 19. Juli 2012

So 15. Juli 2012

Es kotzt mich an – wie hier Geld verschwendet wird

unlesbar

  • Danke für Ihre Sorge um unsere Spendengelder und Sponsoren. Diese Ausstellung ist bislang von allen Ausstellungen im Jüdischen Museum Hohenems der letzten 20 Jahre die mit den meisten Besuchern. Irgendetwas muss die Menschen offenbar daran interessieren und vor allem: dazu animieren, auch anderen den Tipp geben, ebenfalls zu kommen. Sogar Sie waren da.

    Hanno Loewy, Donnerstag, 19. Juli 2012

So 15. Juli 2012

Warum machen sie den Unterschied von mir und Dir so deutlich werden

Stern Jewish

Fr 13. Juli 2012

Weshalb bauen jüdische Siedler mit Duldung des Staates Israel in den Gebieten der Palästinenser?

Daniel

  • Das ist eine sehr berechtigte Frage, auf die es verschiedene mögliche (wenn auch nicht unbedingt befriedigende) Antworten gibt.
    Die Siedler würden sagen: das sind keine “Gebiete der Palästinenser” sondern Teile des historischen “Judäa und Samaria”.
    Die herrschenden Regierungsparteien würden sagen: wenn wir die Siedler herausfordern, provozieren wir einen gewaltsamen Konflikt in der israelischen Gesellschaft.
    Die evangelikalen Christen in den USA, die diese Siedler unterstützen, würden sagen, dass diese Siedlungen die biblische Prophezeihung in der Johannes-Apokalypse erfüllen.
    Manche Israels würden sagen, wir beenden die Siedlungspolitik erst, wenn die Palästinenser den Staat Israel anerkennen, statt seine bloße Existenz mit Gewalt zu bekämpfen.
    Andere würden sagen, dass es die Araber waren, die den UN-Teilungsplan nicht akzeptierten.
    Ich würde sagen, es wird jeden Tag schwieriger, das Gebiet von Israel und Palästina zu teilen. Und wahrscheinlich wird es nur eine friedliche Möglichkeit der Lösung geben, nämlich nicht mehr zwischen Palästina und Israel zu unterscheiden und nicht mehr zwischen Palästinensern und Israelis. Und darum zu kämpfen, dass beide Seiten akzeptieren, dass in diesem Staat alle Menschen die gleichen Rechte haben. Das ist eine Utopie. Aber von was sonst als Utopien ist hier die Rede.

    Hanno Loewy, Samstag, 14. Juli 2012

Do 12. Juli 2012

Zur Frage ‘Darf man Jude sagen?’ Darf man einen Aussagesatz bilden, in dem das Wort ‘Jude’ vorkommt? Das wäre die eigentliche Herausforderung. Wir konnten es am Mikro nicht…

Alex

  • Nu, versuchen wir es am Anfang mit einem ganz einfachen Satz:
    “In New York leben viele Juden.”
    Dann könnten wir es schon etwas schwieriger machen:
    “Juden lassen ihre Söhne meistens beschneiden.”
    Zum Schluss noch eine letzte Übung für den Singular:
    “Woody Allen ist ein Jude.”
    Und nun noch ein Warnhinweis: Sätze, die mit “Juden sind…” anfangen, können leicht auf ähnliche Weise schlecht ankommen, wie Sätze, die mit “Österreicher sind…”, “Deutsche sind…”, “Christen sind…”, “Muslime sind…”, “Steirer sind…” beginnen.

    Hanno Loewy, Samstag, 14. Juli 2012