1.Mai 2012 Was gibt Israel das Recht, Palästina als ihr Land zu sehen?
Carola
Liebe Carola,
Deine Frage setzt voraus, Israel als Besetzer des Landes Palästina zu sehen. Aber ist das so?
Im Grunde sind es zwei Namen für dasselbe Land. Und das macht das ganze eben so schwierig.
Auf diesem Gebiet befand sich (ich bin nicht sicher, ob ich die genaue Reihenfolge nun richtig wiedergebe und ob meine Aufzählung vollständig ist) vor langer Zeit das Land verschiedener rivalisierende Stämme unter ägyptischem Einfluss, das Reich der Philister, phönizische Stützpunkte, dann ein jüdisches Königreich, dann zwei jüdische Königreiche, dann eine babylonische Provinz, dann eine persische Provinz, dann eine syrisch-hellenische Provinz, dann wieder ein jüdisches Königreich, dann eine römische Provinz, dann eine arabische Provinz, dann ein christliches Kreuzfahrerreich, dann wieder eine arabische Provinz, dann eine osmanisch-türkische Provinz, dann schließlich, nach dem 1. Weltkrieg, ein englisches Völkerbundprotektorat mit dem Namen Palästina. Seit mehr als 2000 Jahren haben auf diesem Gebiet immer Juden und Araber gelebt, letztere waren in ihrer Mehrheit ab dem späten 7. Jahrhundert muslimisch, aber es gab auch starke christliche, aramäische und andere Minderheiten.
Das englische Völkerbundmandat war daran gebunden, den Juden, die dies wollen, die Möglichkeit zur Errichtung einer nationalen Heimstätte zu eröffnen.
Dies freilich unter der salomonisch formulierten Bedingung, dass die Rechte der übrigen Bevölkerung in Palästina dadurch nicht verletzt werden sollen und auch nicht die Interessen der Juden, die in der Diaspora leben wollen.
Wir alle wissen, dass die Geschichte nicht so verlaufen ist, wie der Plan des Völkerbundes aussah. Die Mehrheit der Araber wollte keine “nationale jüdische Heimstätte” und viele Juden wollten, vor allem nach dem Holocaust, keine “Heimstätte” sondern einen eigenen “Staat”, eben Israel. Je nach dem, von wo aus man diesen Konflikt betrachtet, sieht er nun völlig anders aus.
Die UNO hat 1947 die Teilung des Landes beschlossen, eine Teilung, die zwar den größeren Teil des Gebietes Israel zusprach, die Hälfte davon allerdings kaum bewohnbare Wüste. Die arabischen Nachbarn lehnten den Teilungsplan ab, die Zionisten stimmten ihm zu. Die arabischen Nachbarn griffen den neuen Staat an und dachten, sie hätten ein leichtes Spiel. Und sie begannen gleich einmal ihre Armeen auch gegeneinander aufmarschieren zu lassen um sich ein möglichst großes Stück des Kuchens zu sichern. Doch dazu kam es nicht.
Die Israelis vertrieben einen Teil der arabischen Bevölkerung, ein anderer Teil folgte dem Aufruf des Mufti von Jerusalem, der sie aufforderte, Israel zu verlassen um Israel ungestört angreifen und vernichten zu können. Israelis verübten Terror an Arabern, Araber verübten Terror an Israelis. Und dann gab es noch ein paar Kriege und 1967 besetzten israelische Truppen im 6 Tage Krieg schließlich den Gazastreifen und die sogenannte Westbank, die vorher von Ägypten und Jordanien besetzt waren.
So etwas nennt man einen unlösbaren Konflikt in dem keiner wirklich Recht hat. Außer das Recht, dort zu existieren, wo er oder sie lebt.
Auch Staaten haben kein “historisches Recht”. Es sei denn man einigt sich und begründet vertraglich ein solches Recht. Bis dahin gilt leider das Recht des Stärkeren, also letztlich der Kriegszustand, unter dem beide Seiten nun am meisten leiden.
Gute Ratschläge von außen bekommen beide Seiten genug. Aber meistens gießen diese Ratschläge von außen vor allem Öl ins Feuer des Konflikts. Besonders aus Europa klingen solche Ratschläge eher seltsam. Ausgerechnet hier, wo man sich gerade besonders schwer tut, selbst einer im wesentlichen friedlich vor sich hin lebenden muslimischen Minderheit halbwegs gleiche Rechte einzuräumen, ausgerechnet von hier aus fordert man von Israelis und Palästinenser, Arabern und Juden gleichermaßen, zivil und tolerant gegenüber den jeweils anderen, religiösen und kulturellen Minderheiten zu sein, je nach dem auf welcher Seite. Solche Ratschläge klingen manchmal fast schon zynisch.
Am Ende aber werden beide Seiten im Nahen Osten realisieren müssen, dass sie gemeinsam auf diesem Territorium werden leben müssen, in einem oder zwei oder drei Staaten, die – egal ob einer oder zwei oder drei – nichts anderes sein können, als die Verfassung ihrer Bevölkerung. Und diese Bevölkerung wird wohl in jedem Fall vielfältig und widersprüchlich sein. Wenn das irgendwann einmal gut geht, dann wird es vermutlich nicht an den guten Ratschlägen aus Europa liegen, wo einmal mehr mit Ressentiments gegen Minderheiten Politik gemacht wird. Mal schauen, ob es in der Schweiz oder in Österreich schneller möglich sein wird, eine richtige Moschee zu bauen, oder in Israel/Palästina eine Moschee in einem jüdischen Viertel und eine Synagoge in einem muslimischen. Topp, die Wette gilt.
Liebe Carola,
Deine Frage setzt voraus, Israel als Besetzer des Landes Palästina zu sehen. Aber ist das so?
Im Grunde sind es zwei Namen für dasselbe Land. Und das macht das ganze eben so schwierig.
Auf diesem Gebiet befand sich (ich bin nicht sicher, ob ich die genaue Reihenfolge nun richtig wiedergebe und ob meine Aufzählung vollständig ist) vor langer Zeit das Land verschiedener rivalisierende Stämme unter ägyptischem Einfluss, das Reich der Philister, phönizische Stützpunkte, dann ein jüdisches Königreich, dann zwei jüdische Königreiche, dann eine babylonische Provinz, dann eine persische Provinz, dann eine syrisch-hellenische Provinz, dann wieder ein jüdisches Königreich, dann eine römische Provinz, dann eine arabische Provinz, dann ein christliches Kreuzfahrerreich, dann wieder eine arabische Provinz, dann eine osmanisch-türkische Provinz, dann schließlich, nach dem 1. Weltkrieg, ein englisches Völkerbundprotektorat mit dem Namen Palästina. Seit mehr als 2000 Jahren haben auf diesem Gebiet immer Juden und Araber gelebt, letztere waren in ihrer Mehrheit ab dem späten 7. Jahrhundert muslimisch, aber es gab auch starke christliche, aramäische und andere Minderheiten.
Das englische Völkerbundmandat war daran gebunden, den Juden, die dies wollen, die Möglichkeit zur Errichtung einer nationalen Heimstätte zu eröffnen.
Dies freilich unter der salomonisch formulierten Bedingung, dass die Rechte der übrigen Bevölkerung in Palästina dadurch nicht verletzt werden sollen und auch nicht die Interessen der Juden, die in der Diaspora leben wollen.
Wir alle wissen, dass die Geschichte nicht so verlaufen ist, wie der Plan des Völkerbundes aussah. Die Mehrheit der Araber wollte keine “nationale jüdische Heimstätte” und viele Juden wollten, vor allem nach dem Holocaust, keine “Heimstätte” sondern einen eigenen “Staat”, eben Israel. Je nach dem, von wo aus man diesen Konflikt betrachtet, sieht er nun völlig anders aus.
Die UNO hat 1947 die Teilung des Landes beschlossen, eine Teilung, die zwar den größeren Teil des Gebietes Israel zusprach, die Hälfte davon allerdings kaum bewohnbare Wüste. Die arabischen Nachbarn lehnten den Teilungsplan ab, die Zionisten stimmten ihm zu. Die arabischen Nachbarn griffen den neuen Staat an und dachten, sie hätten ein leichtes Spiel. Und sie begannen gleich einmal ihre Armeen auch gegeneinander aufmarschieren zu lassen um sich ein möglichst großes Stück des Kuchens zu sichern. Doch dazu kam es nicht.
Die Israelis vertrieben einen Teil der arabischen Bevölkerung, ein anderer Teil folgte dem Aufruf des Mufti von Jerusalem, der sie aufforderte, Israel zu verlassen um Israel ungestört angreifen und vernichten zu können. Israelis verübten Terror an Arabern, Araber verübten Terror an Israelis. Und dann gab es noch ein paar Kriege und 1967 besetzten israelische Truppen im 6 Tage Krieg schließlich den Gazastreifen und die sogenannte Westbank, die vorher von Ägypten und Jordanien besetzt waren.
So etwas nennt man einen unlösbaren Konflikt in dem keiner wirklich Recht hat. Außer das Recht, dort zu existieren, wo er oder sie lebt.
Auch Staaten haben kein “historisches Recht”. Es sei denn man einigt sich und begründet vertraglich ein solches Recht. Bis dahin gilt leider das Recht des Stärkeren, also letztlich der Kriegszustand, unter dem beide Seiten nun am meisten leiden.
Gute Ratschläge von außen bekommen beide Seiten genug. Aber meistens gießen diese Ratschläge von außen vor allem Öl ins Feuer des Konflikts. Besonders aus Europa klingen solche Ratschläge eher seltsam. Ausgerechnet hier, wo man sich gerade besonders schwer tut, selbst einer im wesentlichen friedlich vor sich hin lebenden muslimischen Minderheit halbwegs gleiche Rechte einzuräumen, ausgerechnet von hier aus fordert man von Israelis und Palästinenser, Arabern und Juden gleichermaßen, zivil und tolerant gegenüber den jeweils anderen, religiösen und kulturellen Minderheiten zu sein, je nach dem auf welcher Seite. Solche Ratschläge klingen manchmal fast schon zynisch.
Am Ende aber werden beide Seiten im Nahen Osten realisieren müssen, dass sie gemeinsam auf diesem Territorium werden leben müssen, in einem oder zwei oder drei Staaten, die – egal ob einer oder zwei oder drei – nichts anderes sein können, als die Verfassung ihrer Bevölkerung. Und diese Bevölkerung wird wohl in jedem Fall vielfältig und widersprüchlich sein. Wenn das irgendwann einmal gut geht, dann wird es vermutlich nicht an den guten Ratschlägen aus Europa liegen, wo einmal mehr mit Ressentiments gegen Minderheiten Politik gemacht wird. Mal schauen, ob es in der Schweiz oder in Österreich schneller möglich sein wird, eine richtige Moschee zu bauen, oder in Israel/Palästina eine Moschee in einem jüdischen Viertel und eine Synagoge in einem muslimischen. Topp, die Wette gilt.
Hanno Loewy, Donnerstag, 3. Mai 2012