11.April 2012 Warum hat “Gott” sich unter allen Völkern dem jüdischen Volk besonders zugewendet?
Roland
Lieber Roland,
als Museum, und das heißt als Wissenschaftler, können wir diese Frage so leider nicht beantworten. Über G’tt können wir nichts sagen, allenfalls über Menschen und ihre Motive und Vorstellungen.
Über die Entstehung des Monotheismus gibt es die verschiedensten Theorien, von Wilhelm Schmidts “Der Ursprung der Gottesidee” bis zu Sigmund Freuds “Der Mann Moses”, von Jan Assmann (“Die mosaische Unterscheidung”) bis zu Jean Soler (“L’invention du monothéisme”).
Die Entwicklung des hebräischen Gottesbildes von der eher traditionellen Vorstellung eines Volksgottes, der noch in Konkurrenz zu anderen Göttern steht, hin zum universellen Schöpfergott hat sich über Jahrhunderte und in vielen Widersprüchen vollzogen. So entstand das Bild eines Gottes, der die Gesetze schafft und damit zugleich in einem besonderen Vertragsverhältnis mit jenen steht, die seine Existenz als erste postulierten, der zugleich aber universell für alle Menschen da ist.
Die so oft und höchst unterschiedlich formulierte und missverstandene Vorstellung von “Auserwähltheit” bedeutete so eher eine Bürde als ein Privileg. Nämlich die sich selbst auferlegte Verpflichtung einer besonderen Verantwortung und Rechenschaft, an der man immer wieder nur scheitern kann. Und die zugleich das eigene Handeln immer auch als relevant für die anderen erscheinen lässt.
Bis vor 2000 Jahren hat diese Vorstellung vor allem die Juden selbst immer wieder durcheinandergebracht und gequält, während es dem Rest der Welt eher egal war, was in den Köpfen dieser kleinen, schon seit der babylonischen Herrschaft verstreuten Minderheit vorging.
Mit dem Siegeszug des Christentums hat diese Vorstellung sich hingegen auf dem ganzen Erdball verbreitet und zugleich eine ganz andere Wendung erfahren. Indem das Christentum die “Auserwähltheit der Juden” zum Ausgangspunkt für seine eigene Bekehrung der Welt nimmt, wird aus dem inneren Hader mit sich selbst eine Legitimation für die eigenen Herrschaftsansprüche. Das problematische der Vorstellung wird projektiv abgespalten und an das Judentum als “Vergangenheit” delegiert und als “überwunden” gedacht. Dabei bleibt es nun, unkritisiert, erst recht wirksam, im Anspruch darauf, das Heil zu repräsentieren. In der jüdischen Diskussion hingegen hat die Vorstellung der “Auserwähltheit” inzwischen eher einen schlechten Beigeschmack. Sie hat einem doch nur Ärger gebracht.
Lieber Roland,
als Museum, und das heißt als Wissenschaftler, können wir diese Frage so leider nicht beantworten. Über G’tt können wir nichts sagen, allenfalls über Menschen und ihre Motive und Vorstellungen.
Über die Entstehung des Monotheismus gibt es die verschiedensten Theorien, von Wilhelm Schmidts “Der Ursprung der Gottesidee” bis zu Sigmund Freuds “Der Mann Moses”, von Jan Assmann (“Die mosaische Unterscheidung”) bis zu Jean Soler (“L’invention du monothéisme”).
Die Entwicklung des hebräischen Gottesbildes von der eher traditionellen Vorstellung eines Volksgottes, der noch in Konkurrenz zu anderen Göttern steht, hin zum universellen Schöpfergott hat sich über Jahrhunderte und in vielen Widersprüchen vollzogen. So entstand das Bild eines Gottes, der die Gesetze schafft und damit zugleich in einem besonderen Vertragsverhältnis mit jenen steht, die seine Existenz als erste postulierten, der zugleich aber universell für alle Menschen da ist.
Die so oft und höchst unterschiedlich formulierte und missverstandene Vorstellung von “Auserwähltheit” bedeutete so eher eine Bürde als ein Privileg. Nämlich die sich selbst auferlegte Verpflichtung einer besonderen Verantwortung und Rechenschaft, an der man immer wieder nur scheitern kann. Und die zugleich das eigene Handeln immer auch als relevant für die anderen erscheinen lässt.
Bis vor 2000 Jahren hat diese Vorstellung vor allem die Juden selbst immer wieder durcheinandergebracht und gequält, während es dem Rest der Welt eher egal war, was in den Köpfen dieser kleinen, schon seit der babylonischen Herrschaft verstreuten Minderheit vorging.
Mit dem Siegeszug des Christentums hat diese Vorstellung sich hingegen auf dem ganzen Erdball verbreitet und zugleich eine ganz andere Wendung erfahren. Indem das Christentum die “Auserwähltheit der Juden” zum Ausgangspunkt für seine eigene Bekehrung der Welt nimmt, wird aus dem inneren Hader mit sich selbst eine Legitimation für die eigenen Herrschaftsansprüche. Das problematische der Vorstellung wird projektiv abgespalten und an das Judentum als “Vergangenheit” delegiert und als “überwunden” gedacht. Dabei bleibt es nun, unkritisiert, erst recht wirksam, im Anspruch darauf, das Heil zu repräsentieren. In der jüdischen Diskussion hingegen hat die Vorstellung der “Auserwähltheit” inzwischen eher einen schlechten Beigeschmack. Sie hat einem doch nur Ärger gebracht.
Hanno Loewy, Donnerstag, 12. April 2012